Europäer und Biotechnologie 2005

EU-Kommission Europäer und Biotechnologie 2005

Eurobarometer 64.3—Sechste Repräsentativumfrage zur Biotechnologie seit 1991
 
Europäer(innen) stehen technologischen Entwicklungen zunehmend optimistisch gegenüber und sind besser über Biotechnologie informiert. Das geht aus der aktuellen Eurobarometer-Umfrage zur Biotechnologie hervor, die am 22. Juni 2006 in Brüssel vorgestellt wurde.

Die Umfrage "Europäer und Biotechnologie 2005" wurde von einer internationalen Arbeitsgruppe unter der Leitung von Prof. George Gaskell, London School of Economics, unter Mitarbeit der Abteilung Sozial- und Wirtschaftspsychologie der Universität Linz (Dr. Nicole Kronberger, a. Prof. Dr. Wolfgang Wagner) und des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Dr. Helge Torgersen) durchgeführt.

Aufgeschlossen gegenüber manchen Risiken ist man vor allem dann, wenn technologische Neuerungen einen Nutzen für viele versprechen. Medizinische Anwendungen und industrielle Produkte der Biotechnologie werden weitgehend befürwortet. Auch embryonale Stammzellforschung wird bejaht, wenn sie streng geregelt wird.

Gentechnisch veränderte Nahrungsmittel treffen in vielen Ländern und insbesondere in Österreich auf Ablehnung - auch bei Vorteilen für die Konsumenten. Trotz dieses Widerstands sind aber die EuropäerInnen technologischen Neuerungen gegenüber generell aufgeschlossen.
 
Während eine Mehrheit gewillt ist, Entscheidungen über neue Technologien an Experten abzugeben, gibt es eine bedeutende Minderheit, die moralische und ethische Gesichtspunkte verstärkt in der Öffentlichkeit behandelt sehen wollen. Das ist insbesondere in Österreich der Fall.


 

Österreicher gegen den EU-Trend: Für mehr öffentliche Mitbestimmung bei technologischen Entscheidungen
 
Sollen bei Entscheidungen über Biotechnologie eher wissenschaftliche Beweise oder moralisch/ethische Kriterien maßgebend sein? Und sollen Entscheidungen eher von Experten oder von der Öffentlichkeit getroffen werden? Im europäischen Schnitt befürworten knapp 60% eine Entscheidung nach wissenschaftlichen Kriterien und die Abtretung an Experten. In Österreich können sich hierfür nur ein gutes Drittel (36%) erwärmen, während nicht viel weniger (31%) Entscheidungen nach moralischethische Kriterien und die Öffentlichkeit als Entscheidungsträger bevorzugen. Die Delegation an Experten, die nach moralischen Kriterien entscheiden, findet bei fast einem Viertel der ÖsterreicherInnen (24%) Anklang.

Österreicher haben wenig Vertrauen in Gen-Datenbanken
EuropäerInnen befürworten – eingeschränkt – die Nutzung genetischer Daten für die persönliche medizinische Diagnose. Zugang für Behörden und Versicherungen gilt hingegen als inakzeptabel. 58% würden ihre Daten auch in einer Datenbank der Forschung zur Verfügung stellen. Dabei gibt es starke Länderdifferenzen: In Skandinavien und den Niederlanden wären dazu 70% bereit, in Deutschland oder Griechenland nur um die 40%. Österreich liegt mit 37% an letzter Stelle.
 
Mehrheit in Europa für embryonale Stammzellforschung
Zwischen embryonalen (59% Zustimmung) und nichtembryonalen Quellen (65%) wird dabei recht wenig unterschieden. Die größte Unterstützung findet sich in Belgien, Schweden, Dänemark, Holland und Italien; die niedrigste in den baltischen Staaten, Slowenien, Malta, Irland und Portugal, wobei in letzteren ca. ein Drittel mit “Weiß nicht” antworten. Österreich befindet sich im Drittel der eher kritischen Länder. Stammzellenforschung wird auch von denjenigen mehrheitlich befürwortet, die den Embryo von der Empfängnis an als menschliches Wesen ansehen. Allerdings wünschen sich die Meisten auch, dass diese Forschung streng kontrolliert wird. Im Allgemeinen gilt aber der medizinische Nutzen mehr als moralische oder religiöse Bedenken. Dementsprechend interessieren sich die Meisten auch eher für Nutzen- und Risikofragen als für wissenschaftliche Details.
  
Technologie-Optimismus
Seit 1991 ist die europäische Öffentlichkeit gleich bleibend optimistisch in Bezug auf neue Technologien wie Computer- und Informationstechnologie sowie Solarenergie. Der Optimismus bezüglich Biotechnologie hingegen fiel von 1991 bis 1999 stark und erreicht 2005 erst wieder den Wert von 1991. Junge Leute sind im Schnitt genauso optimistisch wie der Schnitt der Bevölkerung, lediglich die über 65-Jährigen sind kritischer.
  
Pharmakogenetik. Gentherapie und (als Vergleich) Nanotechnologie
Alle drei Technologien finden im Allgemeinen Unterstützung und werden als nutzbringend und moralisch akzeptabel angesehen. Weder Nanotechnologie noch Pharmakogenetik werden für riskant gehalten. Gentherapie erscheint riskanter, wird aber wegen ihres potentiellen Nutzens akzeptiert.
 
Industrielle (weiße) Biotechnologie
Biotechnologie zur Herstellung von Treibstoff, Plastik sowie “Biopharming” (Gewinnung von Pharmazeutika aus gentechnisch veränderten Pflanzen) wird von einer Mehrheit in Europa befürwortet und sollte nach der Meinung von 70% der Befragten gefördert werden. Von der Politik wird erwartet, dass sie insbesondere Biopharming streng reguliert. Im Gegensatz zu allen anderen EU-Staaten ist in Österreich eine Mehrheit der Befragten gegen Biopharming.
 
Landwirtschaftliche (grüne) Biotechnologie
Im europäischen Schnitt lehnen 58% derjenigen mit einer dezidierten Meinung gentechnisch veränderter Nahrungsmittel ab – sie halten sie für nicht nützlich, moralisch inakzeptabel und riskant. Nur in Spanien, Portugal, Irland, Italien, Malta , Tschechien und Litauen gibt es mehr Befürworter als Gegner. Gründe, weshalb man solche Nahrungsmittel doch kaufen würde, sind vor allem mögliche Gesundheits- oder Umweltvorteile oder die Vermeidung von Spritzmitteln. Der Preis oder die Zulassung durch die Behörden spielen kaum eine Rolle. Innerhalb der EU gibt es große Unterscheide in der Zahl derjenigen, die solche Produkte unter keinen Umständen kaufen würden (5% bis 55%). Österreich ist hier Spitzenreiter neben Griechenland, Ungarn, Deutschland und Lettland.
 
Wissen und Engagement
Der Wissensstand ist im Schnitt gestiegen; wichtiger erscheint aber die Bereitschaft, sich zu informieren. Eine Mehrheit in Europa ist an Themen aus Wissenschaft und Technik interessiert, über 70% sind bereit, schon einmal Sendungen über Biotechnologie anzuschauen oder Artikel zu lesen, ein Drittel würde zu Info- Veranstaltungen gehen. Anhand des Informationsverhaltens lassen sich „Aktive“ (10%), die über solche Themen gesprochen haben, im Internet recherchieren und schon bei Veranstaltungen waren, und „Aufmerksame“ (15%) unterscheiden, sind optimistischer bezüglich Technologien allgemein, die Aktiven dabei risikobewusster – deren Anteil ist in Österreich deutlich höher als im EU-Schnitt. Die Mehrheit bilden „Zuschauer“ (35%) und „Gleichgültige“ (40%).
 
Neue Mitgliedstaaten
Die Umfrage erfasst erstmals alle 25 EU-Mitgliedsstaaten. Die Erwartung, dass es bei den „Neuen“ Gemeinsamkeiten in der Einschätzung der Biotechnologie gibt, bestätigt sich nicht, die Unterschiede innerhalb dieser Gruppe sind so groß wie die zwischen den „alten“ Mitgliedern. Im Schnitt besteht ein aber etwas größerer allgemeiner Technologie-Optimismus und es gibt weniger Unterschiede zwischen „grüner“ und „roter“ Biotechnologie.
 
Nordamerika
Entgegen einer verbreiteten Ansicht sind Europäer etwa gleich optimistisch gegenüber neuen Technologien wie US-Bürger oder Kanadier – mit Ausnahme von Kernenergie. Eine weitere Differenz betrifft gentechnische Nahrungsmittel; hier sind Europäer und Kanadier ähnlich skeptisch, während US-Bürger mehr Vorteile und weniger Risiken sehen. Umgekehrt bei Nanotechnologie: Hier finden die Europäer die Technologie nützlicher.
 
Bericht einer internationalen Arbeitsgruppe an die Europäische Kommission, DG Forschung, unter Leitung von Prof. G. Gaskell, London School of Economics, unter Mitarbeit der Abteilung Sozial- und Wirtschaftspsychologie der Universität Linz (Dr. N. Kronberger, a. Prof. Dr. W. Wagner) und des Instituts für Technikfolgen- Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Dr. H. Torgersen).

Kontakt:
Dr Nicole Kronberger 0732 2468-8224 oder -8225
Dr Helge Torgersen 01 7102510-6588
A Univ Prof Dr Wolfgang Wagner 0732 2468-8577 oder -8225

Textquelle: Österreichische Akademie der Wissenschaften

Full report:

http://www.ec.europa.eu/research/press/2006/pr1906en.cfm

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